Nach den zahlreichen Besuchen der Champions-League-Stadien war es für die Boros folgerichtig, den Weg bis zum Ende gehen zu wollen und auch Teil der schwarz-gelben Familie in London zu sein. Nach dreifacher Bewerbung und einmaliger Auslosung durften zwei Borussen mit der BVB-Fanabteilung in die englische Hauptstadt reisen. Ohne Ticket für das Spiel, dafür aber mit viel Vorfreude und Siegeswillen!
Am Freitag, dem 31.05., erwartete uns zunächst ein riesiges Treffen von Fans am Dortmunder Hauptbahnhof. Für uns war es die erste große organisierte Auswärtsfahrt und die Erfahrung, mit so vielen Fans auf Reisen zu gehen, war ganz neu. Nachdem wir zunächst Probleme hatten, den richtigen Bus zu finden, ging es dann aber doch schnell los: Daten gecheckt, Platz im Bus gesucht und ab ging die Fahrt!
Schnell fanden sich erste Gesprächspartner:innen, alle voller Hoffnung auf den großen Erfolg. Wir merkten schnell, dass wir die Einzigen ohne Ticket für das Spiel waren, aber das tat der großen Vorfreude keinen Abbruch. Die Busfahrt war heiter und fröhlich. Sie wurde medial auf unserem neuen Instagram-Account für die Daheimgebliebenen dokumentiert, sodass alle Interessierten Teil der Fahrt sein konnten.
Der seichte Schlaf wurde in der Nacht jäh beendet, als wir in Calais den mit Bier gefüllten Bus leeren mussten. Bier war für die Fährüberfahrt nicht erlaubt, sodass bei doch überraschend kühlen Temperaturen gefühlt 100 Kisten verlagert werden mussten. Kurz darauf ging es durch die Grenzkontrolle und auf die Fähre. Die Überfahrt nutzten wir noch einmal für ein Nickerchen, denn der Samstag sollte schließlich lang werden.
Auf der „falschen“ Straßenseite ging es dann an Land weiter in Richtung London. Auch die Stimmung im Bus wurde besser und bei einem Megamix aus Fanliedern kam Fußballstimmung auf. In London angekommen, hieß es dann erst einmal Abschied nehmen von der Bustruppe. Wir zwei Borussen machten uns per U-Bahn auf den Weg ins Zentrum. Wenn man schon einmal in London ist, dann gehört schließlich auch etwas Sightseeing dazu. Wir nutzten den Vor- und Nachmittag, um die Touristen-Hotspots wie Big Ben, das London Eye und Co. zu besichtigen und tolle Fotos als Erinnerung zu schießen.
Es war toll zu sehen, wie viel die Stadt für Fußballfans organisiert hatte. An verschiedenen Orten gab es Aktivitäten, Fotowände und sogar richtige Fanfeste. Es schien, als gäbe es mehr Madrid-Fans in der Stadt, doch dieser Eindruck täuschte. Als wir beim Fanfest der Dortmunder im Hyde Park ankamen, sahen wir das schwarz-gelbe Meer aus Fans, das die kleinen Grüppchen der Madrilenen bei Weitem übertraf. Mit einer fetzigen Coverband, vielen Interviews, aber wahnsinnig teurem Bier und Essen wurde ein tolles Event für die Dortmunder auf die Beine gestellt.
Aufgrund der doch erschreckenden Preise unternahmen wir noch eine kleine Tour zum Buckingham Palace. Anschließend kauften wir deutlich günstiger Bier ein. Zurück im Hyde Park wurde bei perfektem Wetter auf den tollen Tag angestoßen. Die englische Polizei sah es zum Glück mit dem Alkohol entspannt, was sicher auch an der friedlichen und euphorischen Atmosphäre der Dortmunder lag. Sie verstanden sich prächtig mit den einheimischen Londonern.
Am Abend folgte schließlich der Höhepunkt der Reise: das Endspiel der Champions League! Mit zehntausenden Borussen im Hyde Park war es ein ganz besonderes Erlebnis, das dem Stadion sicher nicht viel nachstand. Die Anspannung war hoch und das Selbstvertrauen ungewohnt groß. Es lag ein großes Spiel in der Luft und trotz des starken Gegners Real Madrid fuhr man natürlich nach England, um das Spiel zu gewinnen.
Und dieses Selbstvertrauen sollte sich als richtig erweisen. Der BVB startete mutig in die Partie, spielte sicher und abgeklärt und kam zügig zu den ersten Chancen. In der 21. Minute wurde es laut, als Mats Hummels genial auf Karim Adeyemi durchsteckte. Dieser lief plötzlich frei auf Courtois zu, legte den Ball an ihm vorbei und wurde erst im letzten Moment von Carvajal abgegrätscht. Eine bockstarke Leistung, die leider nicht belohnt wurde. Mutig ging es weiter, und fast im nächsten Angriff folgte die nächste Großchance des BVB. Maatsen mit starker Balleroberung und Pass auf Niclas Füllkrug, der frei hinter die Abwehrlinie kam, im Fallen in der Drehung abschloss und am Torwart vorbeischoss, jedoch nur den Pfosten traf. Es war kaum zu glauben, wie sehr Dortmund das Spiel im Griff hatte und aufspielte, als wären sie die auf dem Papier deutlich stärkere Mannschaft.
Zum Halbzeitpfiff gab es unter den Dortmund-Fans ungläubige und erstaunte Gesichter. Mit einer solchen Leistung hatte wohl niemand beim BVB gerechnet. Umso schade natürlich, dass die großen Chancen nicht genutzt werden konnten. Bis dahin war es ein Spiel, auf das man stolz sein konnte, und es war Werbung für den Dortmunder Fußball.
Vorsichtig optimistisch ging es dann in die zweiten 45 Minuten. Man hatte das Gefühl, dass an diesem Abend wirklich mehr drin war. Real Madrid kam gefestigter aus der Pause und die Chancen beider Mannschaften glichen sich zunehmend an. Das Niveau der Partie blieb weiterhin sehr hoch. In der 74. Minute war es ein Standard, den Madrid zur Führung nutzen konnte. Ausgerechnet Carvajal, der kleinste Spieler auf dem Feld, setzte sich in einem Kopfballduell durch und köpfte den Ball ins lange Eck. Das war ein Schock, aber kein Grund aufzugeben. Wichtig war, dass der Ex-Dortmunder Jude Bellingham kurz nach der Führung eine Großchance nicht verwandelte und neben das Tor schoss. So blieb der BVB im Spiel, doch es wurde immer schwieriger, gegen die kompakt stehenden Madrilenen Tore zu erzielen.
Es brauchte neue Ideen und mehr Mut, um die Chance auf den Ausgleich mit eigenen Angriffen zu wahren. Es war bitter, dass aus einem eigentlich ruhigen Spielaufbau durch einen ärgerlichen Fehlpass Real Madrid die entstandene Chance zum zweiten Tor nutzen konnte. Ernüchterung machte sich breit. Einen Rückstand von zwei Toren bei nur noch zehn zu spielenden Minuten aufzuholen, erschien unmöglich. Trotzdem wurde bei jeder Chance angefeuert und gehofft, dass es doch noch reichen könnte. Und tatsächlich, weil auch die Mannschaft nicht aufgab, fiel in der 87. Minute der Anschlusstreffer. Niclas Füllkrug traf per wuchtigem Kopfball zum 1:2, doch der Jubel hielt nur kurz: Der Torschütze stand knapp im Abseits. In den letzten Minuten der Partie kam es zu keiner gefährlichen Torraumaktion mehr, somit war die Niederlage besiegelt.
Natürlich saß der Schmerz erst einmal tief. Man hatte zu gut gespielt, um als Verlierer vom Platz zu gehen. Mit so einer Leistung hatte trotz aller Euphorie im Vorfeld sicher niemand gerechnet. Vielleicht hatte man Dortmund ein knappes, dreckiges 1:0 zugetraut, aber Real Madrid eine Halbzeit lang zu dominieren und mit etwas mehr Spielglück mit 2:0 in die Halbzeit zu schicken, damit hatte sicher niemand gerechnet. Auch wenn der Rückweg zu den Bussen wortlos verlief, machte sich dennoch ein Gefühl des Stolzes breit. Es war einfach ein bockstarkes Spiel!
Anstatt einer großen Feier war die Rückfahrt ruhig und besonnen. Es wurde nicht viel geredet, denn alle hatten viele Eindrücke und Emotionen zu verarbeiten. Das in Calais auf uns wartende Bier wurde nicht angerührt, die Tristesse war doch zu groß. Es brauchte einige Tage, um das Wochenende zu verarbeiten. Mit Abstand zum Spiel konnte man aber wirklich zufrieden sein mit der Leistung des BVB. Natürlich hätte es auch ganz anders kommen können, aber die Mannschaft hat sich so gut präsentiert, dass kein Dortmunder Fan enttäuscht sein musste. Und wer weiß, vielleicht ist man schneller als gedacht erneut in einer ähnlichen Position. Auf geht’s, BVB!